Verbundene Schicksale
„Was wir für andere tun, tun wir auch für uns selbst.“
(Thich Nhat Hanh)
Die Natur ist immer wieder eine Denkinspiration für mich.
Dieses Foto mit dem Bambuswald am Fluss habe ich neulich bei einem Spaziergang aufgenommen. Die Bambusstangen drängen sich dicht an dicht, Halm an Halm, einer neben dem anderen. Dennoch ist die Stärke und Kraft jeder einzelnen Bambusstange beeindruckend. Jede will hoch hinaus, wächst der Sonne entgegen und beansprucht ihren Platz. Einzeln stehende Stangen sieht man nicht, sie wären wohl zu verletzlich und zu leicht vom Wind umzuwerfen.
Die Dichte macht den Charakter des Bambuswaldes aus. Nähe ist in der Not hilfreich. Gemeinsam finden die Bambusstangen den Schutz, den sie brauchen. Weil jede einzelne von ihnen kraftvoll gewachsen und stark geworden ist, halten sie zusammen Unwettern stand. Es hat also sehr viel für sich, nicht alleine zu stehen und sich auf andere verlassen zu können.
Nur für andere etwas tun
Das stimmt auch für uns Menschen. Doch erlebe ich es immer wieder, dass gerade diejenigen, die vor allem andere stützen, nicht an ihr eigenes Wachstum denken. Sie vergessen, sich der Sonne entgegenzustrecken und sich ihren Platz zu nehmen. Und so kommt es früher oder später zu Schwäche und Kraftverlust. Weil sie nichts für sich selbst, sondern immerzu nur für andere etwas tun, können sie bald auch das nicht mehr leisten.
Bei der Frage „Welches Bedürfnisse hast du?“, bleiben sie zunächst stumm. Sie haben vergessen, wie sich das anfühlt, eigene Bedürfnisse zu bemerken und ihnen nachgehen zu dürfen. Sie überlegen und brauchen etwas Zeit. Und wenn sie etwas spüren, so zweifeln sie noch immer, ob sie sich den Platz dafür nehmen dürfen, ob sie denn wirklich so wichtig sind, dass es um ihre Bedürfnisse gehen kann. Sie trauen dem nicht so ganz, fast so, als könne das nicht richtig sein. Fast so, als könne es nicht wahr sein, dass sie jetzt auf sich selbst und nicht auf andere achten.
Alle sind gleich viel wert
Menschen sind grundsätzlich gleich viel wert. Und doch kennen so viele von uns immer wiederkehrende Selbst-Wert-Probleme. Immer wieder fragen wir uns, ob nicht doch andere mehr wert sind als wir selbst, und wir mögen uns gelegentlich unterlegen, minderwertig oder sogar wertlos fühlen. Häufig bewerten wir nicht bewusst, sondern unbewusste Glaubenssätze sorgen für diese Gefühle und dafür, dass wir tun, was wir eben glauben, tun zu müssen. Wir glauben, nur etwas wert zu sein, wenn wir andere stützen und deren Ansprüche erfüllen.
So kommt es, wie es kommen muss, wenn wir die Bedürfnisse anderer immer über die eigenen stellen: Wir verlieren unser Zentrum und unsere Kraft, weil wir uns selbst nicht mehr spüren. Uns nicht gerecht werden. Auch wenn wir es aus Liebe tun (z.B. zum Partner, zur kranken Mutter, zu unseren Kindern) oder um des lieben Friedens willen und weil wir freundliche Menschen sind (z.B. geben wir einer nörgelnden Kollegin, dem hitzköpfigen Chef oder den streitsüchtigen Nachbarn nach), werden wir früher oder später darunter leiden, dass wir uns selbst nicht treu geblieben sind und unsere eigenen Bedürfnisse sträflich vernachlässigt haben. Wir werden aufwachen und bemerken, dass wir unser eigenes Leben nicht gelebt haben.
Wenn alle gleich viel wert sind, dann stehen wir selbst in der Verantwortung dafür, unseren Wert in die Welt hinauszutragen und ihn zu leben. Und das nicht gegen die Bedürfnisse anderer, sondern trotz der Bedürfnisse anderer. Jeder hat seinen Platz im Leben.
Schicksal
untrennbar verknüpft
mit dem Schicksal der ganzen Menschheit.
Alles, was wir für uns selbst tun,
tun wir auch für andere.
Und alles, was wir für andere tun,
tun wir auch für uns selbst.
(Thich Nhat Hanh)
Nehmen Sie in diesem Sinne Ihr Schicksal in Ihre eigenen Hände. Tun Sie etwas, nur für sich.
Liebe Frau Quirmbach,
Danke für das schöne Foto und die Anknüpfung an die Natur! Es zeigt sehr deutlich, wie sehr die Schöpfung des Menschen doch in der Natur verankert ist. Sowie eine einzelne Bambusstange dem Sturm nicht standhalten würde, so würde auch der einsame Mensch irgendwann den Stürmen nachgeben müssen. Ich denke auch, dass das gemeinsame Wachsen ein herzliches Geben und Nehmen ist. Jeder Mensch trägt das Universum und die Liebe der Erde in sich. Der Sinn liegt dabei bei der Entfaltung dieser. Wenn wir diese Entfaltung mit Anderen im guten Sinne teilen, kann sich unser Universum nur vergrößern und verschönern. Wenn diese Entfaltung aber nicht stattfindet, staut sich zu viel Druck an und es kommt, wie Sie schreiben, zum Kräfteverlust. Das Leben ist jedoch zu kurz, um mit Kräfteverlusten, Schwächen oder Kompromissen zu leben. Es gilt, jeden Moment zu genießen, eben weil wir es wert sind! Zu guter Letzt, will ich Ihnen noch für das tolle Gedicht danken, das den Beitrag schön auf den Punkt bringt und einen kräftigen Motivationsschub bietet!
Liebe Grüße,
René Klampfer
Ein wirklich schönes Foto. Der Mensch am Fluß wirkt wie ein „Grashalm“, was er im Vergleich zur Natur auch ist… ;-)
Hallo, Frau Quirmbach,
ich freue mich hierhergefunden zu haben!
Darf ich den Beitrag in meinem Blog erwähnen und zu IHnen verlinken? Meine Rubrik „Leben und Tod“- Wer braucht schon Bäume? benötigt unbedingt noch positive Gedanken…
Mit herzlichen Grüßen aus Fulda
Martina Fuchs
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Danke, Frau Fuchs, für Ihre Rückmeldung. Selbstverständlich dürfen Sie diesen Beitrag gerne erwähnen und verlinken, ganz Sie wie es für Ihre Leser sinnvoll nutzen möchten. Ich freue mich darüber!
Stöbern Sie ruhig weiter in meinem Blog und wenn Sie weitere Beiträge finden, die interessant für Sie sind – dann zitieren Sie und verlinken Sie gerne. Beste Grüße!
Konstanze Quirmbach