Das Wünschen und das Gewünschte
„Wir lieben das Wünschen mehr als das Gewünschte.“
Pinchas Perry lässt seinen Nietzsche in dem Film „Und Nietzsche weinte“ (nach dem gleichnamigen Buch von Irvin D. Yalom) diesen Satz sagen. Es klingt hier wie eine von Schwere geprägte persönliche Erkenntnis. Das hat gleich eine Resonanz in mir ausgelöst und mein Gefühl hat sich sofort zu Wort gemeldet: Ist das eine traurige Erkenntnis? Was sagt der Satz über uns Menschen und unsere Sehnsüchte?
„Man liebt zuletzt seine Begierde und nicht das Begehrte.“, so heißt es bei Nietzsche im Original. Damit bringt er zum Ausdruck, dass wir dem Gefühl, etwas zu „begehren“, anhängen. Vielleicht deshalb, so denke ich, weil es ein großes Gefühl ist, ein tiefes, irgendwie erfüllendes. Wie ein schöner Schmerz. Eine Sehn-Sucht.
Sehnsucht
Ich kenne Sehnsucht. Ich habe oft Sehnsucht nach … Mir fällt die Unbestimmtheit des Ziels auf. Ich identifiziere das Gefühl als etwas, das mich treibt, auf der Reise zu sein. Es treibt mich um, zu verreisen und Neues kennenzulernen, mir inspirierende Abwechslung zu verschaffen. Es treibt mich an, zu geliebten Menschen und Orten zurückzukehren, vielleicht weil sie sich wie ein Teil von mir anfühlen. Und immer, wenn ich eine Weile genieße, wonach ich mich vorher gesehnt habe, wächst eine andere Sehnsucht in mir, als gäbe es einen Sättigungsgrad auch des Geliebten, einen Tipping-Point, an dem es genug ist, ich wieder Distanz brauche, es mich forttreibt. Damit ich wieder – erfüllt von neuer Sehnsucht – zurückkehren kann.
Zuweilen spüre ich Sehnsucht wie ein großes Verlangen. Das kann körperlich schmerzen und mich mental in Melancholie versetzen. Und wenn ich erkenne, dass die tiefe Sehnsucht unerfüllbar ist, löst dies tiefe Trauer aus. Eine Weile bleibe ich dann bei diesem Gefühl, fröne meiner Sehnsucht und halte die Trauer aus; Sehnsucht oder Trauer, das ist für mich in diesen Momenten gar nicht unterscheidbar.
Inzwischen weiß ich aus Erfahrung, dass auch das vorübergehen wird. Weder das große Glücksgefühl, das eine erfüllte Sehnsucht begleitet, noch der große Schmerz, der mit der endgültigen Einsicht von Nicht-Erreichbarkeit verbunden ist, wird auf Dauer bleiben. Gefühle verändern sich und gehen vorüber. Glück und Schmerz sind entgegengesetzte Extreme auf der gleichen, breiten Palette. Beide empfinde ich als Reichtum und als Geschenk meiner Lebendigkeit.
Fazit:
Es stimmt für mich, dass die Erfüllung einer „Begierde“ nicht das Wesentliche und die Begierde stillende ist. Vielmehr folgt immer wieder eine neue, andere Begierde (oder die gleiche flammt erneut auf). Es scheint mir, als ob Gefühle einem Lebensrhythmus folgen, den wir aus der Natur gut kennen. Es ist die Wellenbewegung, die allem Lebendigen zueigen ist: werden, sein, vergehen.
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