"Unser Leben ist das Produkt unserer Gedanken."
Marc Aurel ist total „in“. Mit seiner Einstellung könnte er heutzutage mühelos als Coach tätig werden. Er fasst in einem Satz zusammen, was mehr und mehr durch die neuere Hirnforschung bestätigt wird: Es gibt keine Wahrheit außerhalb unserer eigenen Wahrheits-Konstruktionen über die Welt. Wir kreieren in der Tat selbst unser Leben durch unsere Gedanken.
Michael Preiner nennt sich selbst den Glücksphilosophen. Tag für Tag, für ein ganzes Jahr, erhalte ich von ihm einen Glückskurs, in dem er sich kurz, knapp und leicht verständlich mit Lebensweisheiten beschäftigt. Er hat mir erlaubt, seine Gedanken zu dem Zitat von Marc Aurel in meinen Blog als Gastbeitrag aufzunehmen, und ich wünsche allen Lesern neue Einsichten und Erkenntnisse.
„Unser Leben ist das Produkt unserer Gedanken.“
(Marc Aurel)
Dieser Ausspruch des Stoikers Marc Aurel ist wohl einer der meist zitierten, wenn es darum geht, die Macht der Gedanken auf unser Leben zu beschwören. Kein Erfolgsbuch und kein Ratgeberautor, der etwas auf sich hält, kommt an diesem Spruch vorbei. Google bietet mir unter dem Stichwort „Gedanken bestimmen unser Leben“ 3,1 Millionen Treffer. Und auch mein Glückskurs kann auf diese Idee nicht verzichten, obwohl ich mir doch bis zum Tag 334 Zeit gelassen habe, Ihnen dieses Zitat anzubieten und Sie und Ihre Gedanken damit zu konfrontieren.
Die Macht unserer Gedanken
Gehören Sie zu den Fans von Marc Aurel und glauben Sie daran, dass die Macht Ihrer Gedanken und die in diesem Zusammenhang oft beschworene Kraft des Unbewussten darüber entscheiden, wie sich Ihr Leben gestaltet? Gehen auch Sie davon aus, dass sich Ihre Gedanken in Ihrem Leben manifestieren und glauben Sie daran, dass Sie nur Ihre Gedanken ändern müssen und Ihr Leben nimmt einen neuen Lauf? Meinen Sie, dass, wenn Sie nur genug Positives und Schönes denken, Ihr Leben auch positiv und schön wird? Vertrauen auch Sie dem GIGO-Prinzip (Garbage in, Garbage out – Müll rein, Müll raus) und versuchen sich schon aus diese Grund vornehmlich mit positiven Gedanken zu beschäftigen?
Neulich hatte ich ein interessantes Gespräch mit einer knapp 60-jährigen Frau, die in einer Direkt-Marketing Organisation arbeitet, deren Aufgabe es ist, für verschiedene Organisationen Spenden zu lukrieren. Auf meine Frage, wie es ihr damit denn ginge, antwortete sie, das komme auf das Projekt an. Wenn sie zum Beispiel für die „Roten Nasen – Clown-Doktors“ aktiv wäre, dann ginge es ihr sehr gut, da sie nur schöne Bilder im Kopf habe. Wenn sie allerdings für eine Pflegeorganisation arbeite, die sich um demente Menschen und Menschen im Wachkoma kümmert, dann ginge es ihr sehr schlecht, da sie dabei nur schlimme Bilder im Kopf habe. Einen klareren Beweis für die Macht unserer Gedanken oder Bilder im Kopf ist nicht zu erbringen, oder?
Wie denken Sie jetzt über die Aussage von Marc Aurel? Sind Sie immer noch gleich überzeugt oder sogar mehr denn je? Oder gehören Sie zu jenen, die der Meinung sind, alles Blödsinn, denn unser Leben ist längst vorherbestimmt, und wir unterliegen einem für uns nicht erkennbaren Ratschluss höherer Mächte. Ob dies jetzt einer Fügung des Universums, den griechischen Göttern oder einem genetischen Programm zugeschrieben wird, ist nur eine Frage der Vorliebe und des Jahrhunderts, in dem wir leben. Zu allen Zeiten gab es gute Gründe und auch namhafte Vertreter dieser Lehre, und gerade wenn wir von Charakter oder Temperament sprechen, meinen wir oft, auf die uns angeborene Neigung auf das Leben zu reagieren und sind davon überzeugt, dass diese Charaktereigenschaften unveränderbare Bestandteile unserer Persönlichkeit seien. Gibt es in Ihrem Leben nicht auch solche Persönlichkeitsmerkmale von denen Sie überzeugt sind, dass diese zu Ihnen gehören und Sie diese auch auf keinen Fall ändern werden, denn dies käme einer Selbstverleugnung gleich?
Wie Sie an der kurzen Darstellung der zwei divergierenden Ansichten sehen, ist eine klare Ja/Nein-Antwort auf die Aussage von Marc Aurel nicht möglich. Dies finde ich äußerst tröstlich, denn es zeigt mir einmal mehr, dass weder hochdekorierte Gelehrte die 100%-ige Wahrheit für sich reklamieren können, noch dass die Welt einem einfachen Schwarz-Weiß-Schema folgt. Unser Leben hat viel mehr Graubereiche, die vielleicht nicht immer angenehm sind, und die wenigsten finden ein „graues“ Leben prickelnd und erstrebenswert und doch ermöglicht uns gerade dieser Graubereich mit den Widersprüchlichkeiten in unserem Leben und im Leben anderer besser zurechtzukommen. Er ermöglicht uns, die Meinung zu ändern und uns anzupassen an die Veränderungen, mit denen wir im Laufe des Lebens immer wieder konfrontiert sind.
Die Quintessenz aus meiner Sicht ist: Es ist besser, sich schöne und positive Gedanken zu machen und daran zu glauben, dass diese auch eine Auswirkung auf unser Leben haben. Dies darf aber nicht zu Allmachtsfantasien führen, die meinen Blick für die genetischen und gesellschaftlichen Grenzen so eintrüben, dass ich andere Meinungen und Lebensentwürfe nicht mehr gelten lasse. Außerdem sollte mich die Idee von Marc Aurel nie dazu verführen zu glauben, alle, denen es auf unserer Erde nicht so gut geht, wären schwach im Geist und müssten nur ihre Gedanken verändern, um ihre Situation nachhaltig positiv zu beeinflussen. Denn dies stillt nicht den Hunger der ostafrikanischen Kinder und Erwachsenen, die aufgrund einer jahrelangen Dürre im Moment Hunger, Not und Elend erleiden. Der Glaube an die Macht der Gedanken darf die Kraft des Mitgefühls nie überragen und mein Herz nie vor anderen Menschen verschließen.
Michael Preiner, Glücksphilosoph
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!