Ich kann auch anders!
Eigentlich bin ich ganz anders.
Aber ich komme so selten dazu. (Ödon von Horvarth)
Dieses Zitat stellt Roland Kopp-Wichmann seinem Buch „Ich kann auch anders – Psychofallen im Beruf erkennen“ voran. Titel und Zitat sprechen ein bekanntes Gefühl an: Eigentlich möchte man häufig anders sein, aber trotz guten Willens schafft man es selten, tatsächlich auch anders zu handeln.
Sitzen wir also unausweichlich in unseren eigenen Psychofallen fest? – Die Antwort gibt der Autor bereits im Titel: Nein, das tun wir nicht. Wir können auch anders! Veränderung ist und bleibt immer möglich, wenn wir die erforderliche Aufmerksamkeit und Zeit investieren. In seinem Buch bietet sich der Psychotherapeut und Coach als Reiseführer „einer spannenden Entdeckungsreise“ an. „Das unbekannte Land in diesem Fall ist Ihre Persönlichkeit.“
Spannend ist die Reise und abwechslungsreich, kompetent und humorvoll der Reiseführer. Zu keinem Zeitpunkt hat er es nötig, belehrend zu sein, selbst wenn er uns, den Leser, auch schon einmal auf die Schippe nimmt. Humor heißt, über sich selbst lachen zu können – und sich dabei selbst ein Stück näher zu kommen. Mir hat es Spaß gemacht, mich durch die Landschaften führen zu lassen. Und wie angekündigt, habe ich mich dort auch häufiger selbst wiedergefunden.
Ich kann auch anders – eigentlich.
Übersichtlich und verständlich für jedermann und jederfrau legt Roland Kopp-Wichmann in seinem Buch „Ich kann auch anders.“ dar, warum wir – häufig entgegen unserer eigentlichen Absicht – immer wieder in bestimmte Fallen tappen: „Wir verhalten uns bisweilen so unangemessen, weil wir unbewusste Konflikte aus unserer Biografie im Berufsleben reinszenieren.“ Und mit unserem Verhalten haben wir damals einen Weg gefunden, diese Konflikte für uns zu lösen. Doch oft sind diese zur Gewohnheit gewordenen Muster heute, in unserem erwachsenen Berufs- und Privatleben, nicht mehr hilfreich. Wir stehen uns damit im Weg und produzieren neue, innere Konflikte. Und doch können wir irgendwie nicht davon lassen – zumindest solange uns nicht bewusst ist, was da eigentlich passiert. In seinem Arbeitsbuch klärt der Autor über mögliche Hintergründe auf. Er stellt Wissen zur Verfügung, setzt Handlungsimpulse und die Leser können sich das nehmen, was für sie gerade richtig ist.
Die zehn wichtigsten Psychofallen
Gewohnheitsmäßige Verhaltensweisen sind aus guten Gründen entstanden. Doch des Leben geht weiter, wir werden älter. Während sich die Lebensbedingungen verändern, bleiben Verhaltensweisen häufig die alten – da ist sie: die Psychofalle.
Roland Kopp-Wichmann trifft die Auswahl der „Psychofallen“ nicht willkürlich. Er beschreibt die 10 häufigsten Problembereiche, die in Coachings und Seminaren immer wieder zur Sprache kommen:
- Das Immer-Nett-Sein-Syndrom
- Die Angst vor Konkurrenz und Ablehnung
- Nicht NEIN sagen können
- Perfekt sein müssen
- Im Stress untergehen
- Lustlosigkeit im Beruf
- Probleme mit dem Chef
- Angst vor Konflikten
- Die Sucht nach Anerkennung
- Angst vor Gefühlen
Blinde Flecken für eigene Muster werden beleuchtet und manche Überraschung wartet auf uns. Nicht immer ganz angenehm, Licht ins Dunkel zu bringen. Doch die Ehrlichkeit uns selbst gegenüber wird belohnt, weil wir uns am Ende weniger im Weg stehen.
Der Reiseführer bietet unterschiedliche Hilfestellungen an.
Zugrundeliegende Vor-Annahmen:
Gleich zu Anfang lernen wir die Leitsätze des Autors kennen, auf die er immer wieder zurückgreift. Ich finde, sie geben nicht nur diesem Buch Struktur, sondern sie sind ebenso eine wertvolle Gedankenstütze im Alltag.
„Meine Leitsätze für dieses Buch lauten:
– Der Fisch ist der letzte, der das Wasser entdeckt.
Veränderung ist schwierig.
– Die Landkarte ist nicht die Landschaft.
Weil wir die Wirklichkeit nicht direkt erkennen können, machen wir uns Landkarten von ihr.
– Das Symptom ist die Lösung.
Unser Verhalten ist nie dumm oder schlecht, sondern immer die beste Wahl aus unseren Möglichkeiten.
– Ich kann auch anders.
Wer ein Problem ändern will, muss erst herausfinden, wie er es erzeugt.“
Diese Annahmen helfen, sich selbst besser in seinem Umfeld und in der Welt wiederzufinden. Mit einer gewissen Distanz zu sich selbst (Meta-Ebene) lassen sich persönliche Schwerpunkte neu setzen. Es kann gelingen, seine Stärken und Grenzen zu sehen und sich als menschlich und gleichzeitig einzigartig anzuerkennen. Eine Annäherung an die eigenen Konflikte ist vom Boden dieser Leitsätze aus weniger schmerzhaft.
Abwehrmechanismen und Verteidigungsstrategien
Wir arbeiten hart daran, uns selbst mit Abwehrmechanismen und Verteidigungsstrategien am Erkennen innerer Konflikte zu behindern. Was einmal als Schutz diente, verhindert heute Leichtigkeit. Wir machen es uns schwer. Möchten wir das ändern und in beruflichen (wie auch privaten) Beziehungen weniger Konflikte haben, müssen wir neue, andere Strategien erlernen.
Wissen ist Macht – bewusst zu wissen schafft Macht und bietet die Chance der Selbst-Erkenntnis. Was bekannterweise der erste Schritt zur Veränderungen ist.
Was uns antreibt
Alte Beziehungserfahrungen und innere Antreiber führen zu automatisiertem Verhalten. Diese unbewusst erlernten Strategien sind zunächst der scheinbar einfachste Weg, mit der Welt umzugehen und sie zu bewältigen. Erkennen wir unsere individuellen Landkarten, lassen sich Einzelheiten benennen: Was treibt uns? Wie gestalten wir Beziehung? Was ist uns nützlich? Können wir die Strategien benennen, lassen sie sich hinterfragen.
Der Autor bietet einen Selbsttest (S.47 – 51) zur persönlichen Einordnung alter Erfahrungen und persönlicher Antreiber an, damit der Leser seine persönlichen Psychofallen einkreisen kann.
Veränderung ist möglich
Nach der Erkenntnis kann Veränderung folgen. Einsicht und Durchblick kommen nicht plötzlich. Ein Wechsel von unbewussten Verhaltensweisen zur bewussten Entscheidung, sich gezielt anders zu verhalten, setzt Selbstreflexion voraus und das Eingeständnis, dass wir es sind, die etwas anders machen müssen. Die folgenden Schritte können den Prozess begleiten:
– Mit Achtsamkeit die eigene Landkarte aufspüren,
– mit hilfreichen Sätzen sich dem Kern des inneren Konfliktes nähern,
– mit Experimenten Neues ausprobieren,
– mit Aufschreiben von Gedanken und Fragen in seinem „Logbuch“ das Thema vertiefen.
Das ist der Weg, den der Autor aufzeigt. Das ist der Weg, es anders zu machen.
Zu den wichtigsten Psychofallen eins bis zehn (s.o.) gibt es dementsprechend je ein eigenes Kapitel mit näheren Erklärungen dazu, wie diese Fallen entstehen. Tiefer führende Fragen und hilfreiche Sätze machen den Konflikt innerlich erlebbar. Geeignete Experimente geben Impulse, sich aus der Falle zu befreien. Ein Logbuch zu führen und seinen Prozess schreibend zu begleiten, führt weiter in die Tiefe.
Alles sind nur Angebote. Das Ausprobieren bleibt dem Leser freigestellt.
Anfangen
Eines stellt Roland Kopp-Wichmann immer wieder ganz klar heraus: SIE müssen anfangen und Ihren Weg beharrlich gehen! Das nimmt Ihnen niemand ab. Und weil das dann doch nicht ganz so einfach ist und auch nicht nebenbei passiert, während Sie eben mal ein interessantes Buch lesen, bietet er auch persönliche Hilfe über seinen Blog >www.ichkannauchanders-blog.de an.
Mir ist sympathisch, wie Herr Kopp-Wichmann selbst neue Wege geht und das Medium Buch mit dem Medium Internet verbindet. Er weist im Anhang nicht nur auf hilfreiche Bücher hin, sondern auch auf weitere nützliche Websites.
Fazit:
Ein sehr gelungenes Arbeitsbuch, das ernsthaft an ihrer Veränderung interessierte Leser ganz bestimmt oft in die Hand nehmen, sei es zum Nachlesen oder zum Nacharbeiten der Fragen und der vielen Anregungen. Verständlich und unterhaltsam bietet der Autor viel Sachkenntnis, Information und Anleitung. Er gibt wertvolle Informationen über psychologische Zusammenhänge, dazu nahe an der Praxis orientierte Beispiele, macht Vorschläge zu manchmal auch ungewöhnlichen Experimenten – und all das auf vergleichsweise wenigen Seiten. Ein Ratgeber, wie ich ihn mir wünsche (der inzwischen allerdings nur noch antiquarisch erhältlich ist).
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns Deinen Kommentar!